Diagnostisches Vorgehen bei Bauchschmerzen:

Die Diagnostik des Bauchschmerzes bzw. des akuten Abdomens unterteilt sich grundsätzlich in 4 aufeinander folgende Abschnitte.

  • An erster Stelle steht die Schmerzanamnese mit der unmittelbaren Bezugsperson, bzw. im Gespräch mit dem Patienten. Hier sollten die Intensität, Qualität, Periodik und Lokalisation der Schmerzen, eine Übelkeit, ein Erbrechen und die Ernährung abgeklärt, sowie eine Stuhlanamnese erfolgen. Schmerzen, die beispielsweise das Kind aus dem Schlaf wecken sind als kritisches Detail besonders zu beachten und können auf eine schwerwiegendere Erkrankung hinweisen. Demgegenüber werden Kinder mit dem so genannten funktionellen Bauchschmerz („Nabelkoliken“) üblicherweise im Schlaf nicht gestört. 

  • Für die klinische Untersuchung sollte man sich genügend Zeit nehmen. Es ist wesentlich, dass das Kind, und das um so mehr je kleiner es ist, vor einer physikalischen Untersuchung in seinem Verhalten beobachtet wird (....das Kind bewegt sich frei, spielt, oder nimmt eine Schonhaltung ein, zieht die Beine an, will getragen werden, ist desinteressiert an den verschiedenen Gegenständen in einem Ordinationszimmer, ist apathisch, etc.). Relevant erscheint auch der Hinweis, ob die Übelkeit mit Erbrechen zeitlich vor den abdominellen (eher Infekt) oder nach den abdominellen Schmerzen (intestinale Motilitätstörung durch den Peritonealreiz, z.B. im Rahmen einer Appendicitis) aufgetreten ist. Bei der Hautinspektion (Hautkolorit - Anämie, Turgor, Exanthem etc.) ist auch auf kleinste Petechien (Purpura Schönlein Hennoch) zu achten. Es folgt die vorsichtige – seitenvergleichende - Palpation (Resistenzen, Defense,..) und die Auskultation (Vorhandensein und Art der peristaltischen Geräusche in den einzelnen Quadranten), sowie eine Inspektion des Abdomens (ausladendes, bzw. kugelig vorgewölbtes Abdomen bei pathologischer Koprostase, eingesunkenes Abdomen). Auch die Inspektion des Perineums ist nicht unwesentlich, um beispielsweise eine Anteposition des Anus (Vorliegen eines auffallend kurzen Dammes bei Mädchen – prädisponiert zum HWI) als Minimalvariante einer Analatresie und Ursache einer Defäkationsstörung festzustellen. Die rectale Untersuchung hat ihren Stellenwert nicht verloren (...dilatierte Ampulle, Koprolith, enge Ampulle - “Handschuhgefühl“ z.B. beim M. Hirschsprung, Palpationsschmerz des Douglasbereiches,...). 

    Es hat sich bewährt, die genaue abdominelle Palpation, Perkussion und Auskultation erst nach Gabe eines abführenden salinischen Klistiers (Clysmol®) durchzuführen. Erfahrungsgemäß führt die Entleerung zu wesentlich besseren Untersuchungsbedingungen und verschlechtert nicht das Stadium der abdominellen Erkrankung. Auch eine schwerwiegende Koprostase kann bekanntlich das Bild eines „akuten Abdomen“ auslösen. Zu beachten ist, dass das Klistier tunlichst erst nach einer sonographischen Untersuchung erfolgen soll, nachdem eine gefüllte Harnblase die Untersuchungsbedingungen deutlich verbessert und beim Absetzen des Stuhles in der Regel auch uriniert wird. Die klinische Untersuchung wird gegebenenfalls durch Prüfung des erbrochenen Mageninhaltes (ev. Sondierung/gallig?) sowie durch eine Stuhlinspektion (Himbeergelee Stuhl bei Invagination; hellrote Blutauflagerungen bei Analfissur; Melaena z.B. bei Colitis; Beurteilung der Stuhlqualität: breiig, hart; Stuhlfarbe etc.) ergänzt. Bei der Beurteilung der Defense ist es wichtig, die seitenvergleichende, vorsichtige Palpation durchzuführen (beim kleinen Kind ev. mit einer Hand) und wesentlich ist die Prüfung des Erschütterungsschmerzes (z.B. durch Perkussion des Abdomens). Die bekannte Messung der rectal–axillären Temperaturmessung ist im Vergleich zu den anderen Untersuchungen in den letzten Jahren in den Hintergrund getreten. 

  • Die klinische Untersuchung wird durch so genannte Routinelaboruntersuchungen ergänzt, wobei neben dem Blutbild, den Elektrolyten, dem C-reaktiven Protein, ev. einer Blutgasanalyse, einer Laktat-Bestimmung, einer Amylase/Lipase-Bestimmung, das spezifische Gewicht des Harnes und ein Harnstreifen- sowie gegebenenfalls ein Hämoccult®-Test durchgeführt werden sollte. Im Bezug auf gastrointestinale Infekte, ist die Stuhlkultur (Rota - Viren, bestimmte pathogene Typen von E. coli., Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Campylobacter, Parasiten, etc.) ergänzt durch serologische Untersuchungen zu nennen. 

  • Der dritte Teil betrifft die bildgebenden Verfahren, wobei besonders betont werden muss, dass beim kindlichen Bauchschmerz gerade die Sonographie, in erfahrenen Händen, in den vergangenen Jahren zu einem der wesentlichsten diagnostischen Instrumente geworden ist. Sie erlaubt die Beurteilung der parenchymatösen Organe (Größe, Oberfläche, Struktur, etc.), weiters die Beurteilung der ableitenden Harnwege, die Frage, ob freie Flüssigkeit im Abdomen vorliegt, die Darstellung des Dünn- und Dickdarms mit Angabe des Durchmessers der Darmschlingen, die Beurteilung der Peristaltik (Atonie, Pendelperistaltik beim mechanischen Ileus,...), den Füllungszustand des Darmes, oftmals die Darstellung der pathologisch veränderten Appendix und schließlich mit dem Doppler-Ultraschallverfahren auch die Beurteilung der intestinalen Perfusion. Diese Untersuchung ermöglicht in der Mehrzahl eine Aussage auch bei ängstlichen, nicht kooperativen Patienten, wo eine physikalische Untersuchung des Abdomens nicht oder nur sehr schwierig möglich ist. Die Ultraschalluntersuchung wird durch ein „Abdomen leer“ Bild (Luftverteilung, intestinale Pneumatose bei nekrotisierender Enterokolitis, freie Luft,..), fallweise eine Irrigoskopie (im Akutstadium mit wasserlöslichem KM), eine Magen-Darm-Passage, ein Enteroklysma, eine nuklearmedizinische, eine CT- oder eine MR-Untersuchung ergänzt. Neuerdings sieht man eine vielversprechende diagnostische Option in der Form des so genannten MR – Enteroklysmas, vor allem beim Verdacht einer Crohnschen Erkrankung. 

  • Der vierte Teil besteht aus dem invasiven diagnostischen bzw. bereits auch therapeutischen Vorgehen, wie der Endoskopie (Gastroskopie, Colonoskopie, Doppelballonendoskopie), der Laparoskopie und schließlich der Laparotomie.

Es erscheint wichtig nochmals zu betonen, dass man sich für die Beurteilung des Bauchschmerzes bei Kindern und Jugendlichen Zeit nehmen sollte. Darunter fällt der Idealfall, dass beispielsweise Kinder mit einem klinischen Bild, das keine sofortige Laparotomie notwendig erscheinen lässt, von ärztlicher Seite in zeitlichen Intervallen von etwa 2 - 3 Stunden (nach Einleitung der rehydrierenden Therapie und Laxierung) mehrfach begutachtet werden, wobei besonders die wiederholte Sonographie zur Auslotung einer Befunddynamik aus unserer Erfahrung wesentlich erscheint. Die Ausnahme wären ausgeprägte Zeichen des fortgeschrittenen „akuten Abdomens“, beispielsweise die eindeutige Peritonitis oder die deutliche intestinale Blutung (z.B. im Rahmen eines blutenden Meckelschen Divertikels). Bis zum Festlegen des therapeutischen Procedere, sollten Analgetika tunlichst vermieden werden, um die abdominelle Symptomatik nicht zu maskieren.

Weiterführende Informationen/Studien:

Bauchschmerzen im Kindesalter:

Einleitung

Spezielle kinder- und jugendchirurgische Erkrankungen

Diagnostik

Auswahl einzelner Erkrankungen:

Die Appendicitis

Meckel´sches Divertikel

Die Invagination

Ovarpathologie

Das stumpfe Bauchtrauma

Volvulus

Choledochuszyste

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

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