Gynäkomastie (Brustvergrößerung des Mannes) beim männlichen Jugendlichen
Charakteristika der sogenannten Gynäkomastie:
- Es handelt sich um eine einseitige oder beidseitige gutartige Vergrößerung der männlichen Brust, vor allem während der Pubertät (höchste Prävalenz – bevorzugtes Vorkommen: 13J - 14J). Dabei können der Brustdrüsenkörper, das umgebende Fettgewebe und die Brustwarze an der Vergrößerung Anteil haben. Welche Komponente (Fett und/oder Drüsengewebe und ggf. Brustwarze) besonders stark betroffen ist, ist individuell unterschiedlich. Vermehrt betroffen sind Jugendliche, die früher in den pubertären Wachstumsschub eintreten.
- Grundsätzlich ist eine komplette gesundheitliche ärztliche Abklärung nötig um ernsthaftere Erkrankungen, die beispielsweise in den Hormonstoffwechsel eingreifen auszuschließen. Die Größe des Brustdrüsenkörpers (Abgrenzung zum umgebenden Fettgewebe) sollte mittels Ultraschalluntersuchung abgeklärt werden.
- Als Ursache der typischen Gynäkomastie in der Pubertät mit einer Vergrößerung des Brustdrüsengewebes findet sich, nach aktuellen Studien, ein vernachlässigbares Ungleichgewicht zwischen den Hormonkonzentrationen von Östrogenen und Androgen, d.h. zwischen den weiblichen und männlichen Geschlechtshormonen (Östradiol/Testosteron - Ratio). In der Pubertät sind Östradiol (Östrogen) und Testosteron sowie das Follikel stimulierende Hormon FSH (auch ICSH - interstitial cell stimulating hormone) erwartungsgemäß erhöht. Wichtiger scheint aber ein wachstumsbezogener vorübergehend ansteigender Spiegel an dem Insulin like Growth Faktor - 1 (IGF-1), der auch Somatomedin - C genannte wird. Der Faktor wirkt über IGF-1 Rezeptoren an den Zellen (Mieritz et al. 2015).
- Im Drüsengewebe zeigt sich eine Wucherung (Proliferation) von dichtem Bindegewebe um die Drüsengänge und verbunden mit einer geschichteten Vermehrung der Zellen, die die Drüsenausführungsgänge auskleiden (Hyperplasie der duktalen Wand). Dabei findet sich IGF-1 in den Membranen und im Zytoplasma der Zellen.
(Mieritz et al. 2015)
- In krankhaften Situationen, also außerhalb der Definition einer Pubertätsgynäkomastie, kann die Brustdrüsenvergrößerung auch als Antwort auf einen Überschuss an weiblichen (Östrogenüberschuss) oder einen Mangel an männlichen Hormonen (Androgenmangel) verursacht sein {ZB: Klinefelter - Syndrom mit ursächlicher Veränderung des Geschlechtschromosomensatzes in XXY statt XY, Hodentumoren (Leydigzelltumor -> Hodentumor der Zellen, die Testosteron produzieren), weit fortgeschrittenes Leberversagen (Leberzirrhose –> die Leber ist verantwortlich für den Östrogen-Metabolismus)}.
Manchmal beobachtet man die krankhafte Gynäkomastie bei Fällen von Hermaphroditismus (Zweigeschlechtlichkeit) oder bei übermäßiger Zufuhr stärker hormonbehandelter Speisen (Fleisch). Auch zugeführtes Testosteron (Anabolika) kann, paradoxer Weise, verantwortlich sein, nachdem das männliche Hormon im Gewebe enzymatisch zum weiblichen Hormon (Östrogen) umgewandelt werden kann. - Die Gynäkomastie, die nur durch übermäßiges Fettgewebe verursacht ist nennt man auch Pseudogynäkomastie bei Adipositas (abnormes Übergewicht).
- Eine leichte physiologische Hypertrophie wird auch in der so genannten Neonatalperiode bei Neugeborenen (3.-8. Lebenstag; durch die noch vorhandenen mütterlichen Hormone, die noch nachwirken) und, wie bereits ausgeführt, während der Pubertät beobachtet.
- Durch die Brustdrüsenvergrößerung kann bei jungen Männern in der Pubertät eine schwere psychische Belastung mit Beeinträchtigung des Selbstwertes (man will nicht mehr ohne Leibchen andere Menschen treffen) entstehen. Die schwere psychische Belastung und der damit verbundene Leidensdruck ist eine der häufigsten Ursachen, dass eine operative Verkleinerung/Entfernung vorgenommen werden sollte.
Gynäkomastie
Symptome:
- Einseitige oder beidseitige Vergrößerung (Palpation: gummiartiges – oval oder diskusförmig gestaltetes Brustdrüsengewebe) der männlichen Brust. Im Zuge der Brustvergrößerung kann auch die Brustwarze mit dem umgebenden Brustwarzenhof deutlich und unüblich größer werden.
- Die schmerzhafte Brustdrüsenschwellung ist typisch bei pubertierenden Jungen. (Drüsenschwellung, Vorstehen der Brustwarze, „unangenehmes Reiben des T- Shirts“).
- Die typische Pubertätsgynäkomastie entwickelt sich um das 13-14 Lebensjahr und bildet sich meist innerhalb von 1-2 Jahren zurück.
Präoperatives Vorgehen; Untersuchungen:
- Ein Abtasten (Palpation) mit dem Gefühl einer Scheibe gummiartigen Gewebes, das den Brustdrüsenkörper darstellt. Das vermehrt vorliegende – tastbare - Brustdrüsengewebe ist von weicherem Fettgewebe umgeben und ist somit bei einer ausschließlichen Fettgynäkomastie nicht vergrößert vorhanden. Die Unterscheidung gelingt mittels der Ultraschalluntersuchung.
- Als wesentliche Untersuchung sollte ein Ultraschall der Brustdrüse, des Hodens (Tumoren / atypische Verkleinerungen) und der Leber (Tumoren / Leberzirrhose) durchgeführt werden.
- Neben der Untersuchungen der Hoden (Ultraschall), der Leber (Leberenzyme; Ultraschall) sollte auch ein so genannter „Hormonstatus“ (hCG, LH, Testosteron, Östradiol, etc.), Chromosomenanalyse oder Karyogramm (Klinefelter Syndrom) und Medikamentenanamnese erfolgen. Welche Untersuchungen sinnvoll sind, oder gemacht werden sollten, entscheidet der Arzt.
- Im Falle einer entwicklungsbedingten – natürlichen (physiologischen) Gynäkomastie empfehlen sich Folgeuntersuchungen in 1, 3 und 6 Monaten zur Beobachtung der Rückbildung. Die psychische Belastung kann bei ausgeprägten Formen der Brustdrüsenvergrößerung beträchtlich sein und darf nicht vernachlässigt werden.
Operation/Operationsschritte:
- Eine reine Gewebsabsaugung (Fettabsaugung) ist bei typischer Gynäkomastie zu wenig und aus medizinischen Gründen nicht gänzlich befriedigend. Es ist wichtig, dass das entnommene Gewebe (Brustdrüsen- und Fettgewebe) im Ganzen als Gewebeblock zur mikroskopischen histologischen Untersuchung gelangt und ärztlich beurteilt werden kann.
- Wichtig ist es en vergrößerten Brustdrüsenkörper zu entfernen und gegebenenfalls die ebenfalls die Brustwarze plastisch kosmetisch zu verkleinern. Die Entfernung des Brustdrüsengewebes geht bis zur Oberfläche des großen Brustmuskels (Subkutane totale Mastektomie bis zur Faszie des M. Pectoralis reichend) durch eine halbkreisförmige Hautöffnung am Brustwarzenrand (semizirkuläre periareoläre Inzision um die Brustwarze). Die Entfernung muss so angelegt sein, dass genügend Binde- und Fettgewebe mit Blutgefäßen direkt unter der Brustwarze verbleibt, damit diese nicht Schaden nimmt.
- Die Technik nach Prof. Rokitansky: In schweren Fällen ist eine so genannte modifizierte Verkleinerungsplastik bei Jugendlichen erforderlich, wobei Prof. Rokitansky eine spezielle Methode entwickelt hat. Die Brustwarze wird dabei ebenfalls deutlich verkleinert und das gewucherte Brustdrüsengewebe mit dem „lappenförmigen“ Hautüberschuss entfernt. Das Brustdrüsengewebe unter der Brustwarze wird nach der herkömmlichen Methode komplett entfernt. Die verkleinerte Brustwarze benötigt aber eine gute und aufrecht erhaltene Blutversorgung, die über die mittige Corium- - Subcutis - Hautbrücke ermöglicht wird. Die verkleinerte Brustwarze findet sich nun beweglich in der Mitte und wird in den oberen Wundwinkel verlagert (kosmetisch angehoben). Der obere Anteil der Corium - Subcutis - Hautbrücke wird dabei gefaltet und in die Tiefe unter der Wundhöhle verlagert. Damit bleibt die verkleinerte Brustwarze gut mit Blut versorgt. Sie wird halbkreisförmig im oberen Wundwinkel eingepasst. In die Wunde unterhalb wird die untere Corium - Subcutis - Hautbrücke unter die Hautoberfläche verlagert. Der Hautverschluss erfolgt als längs verlaufende linienförmige zarte Narbe unterhalb der Brustwarze.
Prinzip der Operation, die von Rokitansky für die Brustverkleinerung bei Buben (Männern) angepasst und verändert wurde.
- Eine kurzzeitige Laschen- oder Saugdrainage (Bild „nach OP“) kann notwendig sein.
Postoperatives Management:
- Entfernen der Drainagen am 2-3. postoperativen Tag.
- Entfernen Hautnähte am 10. postoperativen Tag.
Literatur:
Mieritz, M. G., L. L. Raket, C. P. Hagen, J. E. Nielsen, M. L. Talman, J. H. Petersen, S. H. Sommer, K. M. Main, N. Jorgensen, and A. Juul. 2015. 'A Longitudinal Study of Growth, Sex Steroids, and IGF-1 in Boys With Physiological Gynecomastia', J Clin Endocrinol Metab, 100: 3752-9.