Das stumpfe Bauchtrauma („innere Bauchverletzung“)

Das stumpfe Bauchtrauma tritt als Folge einer physikalischen Gewalteinwirkung auf das Abdomen (Bauchraum) auf, wobei die Integrität der Bauchdecke gewahrt bleibt. Im Rahmen des Abdominaltraumas kann es zu einer intraabdominellen und/oder retroperitonealen Organschädigung kommen. In 2-5 % aller kindlichen Unfälle findet sich das stumpfe Bauchtrauma. 
Das Ausmaß der Verletzung ist im Kindesalter oft schwer zu beurteilen, da das klinische Bild oft durch eine eher harmlos imponierende Klinik überdeckt ist. Man sieht äußerlich keine groben Verletzungen, in bestimmten Fällen eben nur die Prellmarken (z.B. durch das Ende eines Fahrradlenkers).

Das stumpfe Bauchtrauma - 01
Prellmarke durch das Ende eines Fahrradlenkers im linken Oberbauch.

Den Häufigkeitsgipfel zeigt das stumpfe Bauchtrauma bei den 6-8 jährigen Kindern(Verkehrsunfälle; Spielplatzsituationen; Fahrradfahren etc.) und nochmals imJugendlichenalter (zwischen 14 und 16 Jahren; Sportverletzungen). Bei Knaben kommt es etwa 3x häufiger vor als bei Mädchen. Im Rahmen eines stumpfen Bauchtraumas kommt es vorwiegend zu Verletzungen an den parenchymatösen Organen (Milz, Leber, Niere, Pankreas). Es kommt zu subkapsulären Hämatomen (Bluterguss unter der Organkapsel, die erst im Intervall – also etwa erst nach einigen Stunden – platzen kann), Rupturen(Zerreißungen), mit nachfolgender Blutung in die Bauchhöhle oder in das Retroperitoneum. Weitaus seltener sind die Hohlorgane (Dickdarm, Dünndarm, Harnblase) betroffen.

Folgende Symptome können auftreten: Bauchschmerzen (akutes Abdomen), reflektorischeBauchdeckenspannung, äußerliche Verletzungszeichen (Prellmarken, Hämatome, Abschürfungen), Temperaturanstieg, Leukozytose (Anstieg der weißen Blutkörperchen), Hämaturie, Links- oder rechtsseitige Schulterschmerzen (je nach Organbeteiligung) und ev.Schockzeichen (instabile Kreislaufverhältnisse, Blässe, kalter Schweiß, kühle Extremitäten, Tachykardie). Die wesentlichsten diagnostischen Instrumente beim stumpfen Abdominaltrauma sind die Sonographie, ergänzt durch ein Abdomen leer- Bild bzw. eine CT- oder NMR Untersuchung. Die Ultraschalluntersuchung hat die „diagnostische Peritoneallavage“ (Bauchhöhlenpunktion und Spülung) abgelöst.

Die Schwere einer inneren Bauchverletzung lässt sich durch den so genannten „BATiC – Score“ ((Karam, Sanchez et al. 2009) abschätzen, wo 10 Parameter beurteilt werden. Es findet der Doppler Ultraschall (4 Punkte), der anhaltende Bauchschmerz (2 Punkte), die „Reizung des Bauchfells“ (Peritonitis, Abwehrspannung), die hämodynamische Instabilität (Blutdruckabfall; 2 Punkte), die Enzyme ASAT (aspartate aminotransferase im Serum >60 IU/L; 2 Punkte), ALAT (alanine aminotransferase >25 IU/L; 2 Punkte), LDH (>330 IU/L (1 Punkt), Lipase (>30 IU/L; 1 Punkt),  Kreatinin (>50 μg/L; 1 Punkt) und Leukozyten ( >9.5 g/L; 1 Punkt) Eingang in die Kalkulation. Der Verdacht einer schwereren inneren Bauchverletzung liegt beiScore Werten größer/gleich 7 vor. In diesem Fall ist eine weitere diagnostische Bildgebung mittels CT oder MRI und die Transferierung in ein kinder- und jugendchirurgisches Zentrum angezeigt.

Milzläsionen:

Die Milz ist bei einem stumpfen Bauchtrauma das am häufigsten verletzte Organ. Durch die noch elastischen Rippen ist die Milz im linken Oberbauch schlecht geschützt. Es kann relativ leicht zu Parenchymquetschungen bzw. Verletzungen der dünnen Kapsel kommen und sich Rupturen, subkapsuläre Hämatome (cave: zweizeitige Ruptur – platzen der Kapsel im Intervall) oder Kontusionsherde ausbilden. Wesentlich ist, dass im Rahmen von Infektionen und Splenomegalie (z.B. Mononukleose – Pfeifersches Drüsenfieber) auch Bagatelltraumen zu einer Milzruptur führen können (Kind fällt hin). Klinisch zeigen die Kinder eine Druckdolenz und Abwehrspannung im linken Oberbauch.

Im Kindesalter wird die Erhaltung der verletzten Milz gefordert. Eine Milzentfernung (Splenektomie) kann beim Kind im Bezug auf eine verminderte Immunabwehr schwerwiegende Folgen haben. Hier ist die so genannte Postsplenektomie-Sepsis zu erwähnen mit einem 50-200fach erhöhten Erkrankungsrisiko. Vor allem bis zum 5. Lebensjahr trägt die Milz eine zentrale Rolle beim Aufbau der Immunabwehr. Die Sepsisgefahr ist im ersten postoperativen Jahr am größten (Pneumo- bzw. Meningokokkensepsis bei splenektomierten Kindern). Im Sinne der Organerhaltung kann bei stabilen Kreislaufverhältnissen eine abwartende, beobachtende, konservative Therapie, unter regelmäßigen US-Kontrollen und Überwachung der Kreislaufsituation vertreten werden. Etwa 80% der Milztraumen sind heute konservativ therapierbar. Bei den restlichen Fällen mit hohem Transfusionsbedarf, (d.h. mehr als 40 ml/kg KG Blut), d.h. bei nicht beherrschbarer Blutung wird heute in erster Linie eine milzerhaltende Operationstechnik angewandt (Klebung, Teilresektion, Netzhülle, etc...). Die Milzentfernung sollte die Ausnahme sein (Totalzerreißung).

Das stumpfe Bauchtrauma - 02
Milzverletzung und chirurgische Versorgung mittels Einhüllung in ein resorbierbares Netz.

Pankreasläsionen (Bauchspeicheldrüsenverletzungen):

Stumpfe Bauchtraumen, typischer Weise durch einen Radlenker, dessen Ende beim Sturz den Oberbauch umschrieben trifft können zu Läsionen des Pankreas und zur Entwicklung einer Pankreaspseudozyste bzw. einer Pankreasruptur führen. Die Patienten kommen oftmals erst im Intervall zur Vorstellung (Eine bis mehrere Wochen nach dem Trauma sind keine Seltenheit). Neben der Sonographie (manchmal schwierig, wegen der Gasüberlagerung im Magen) ist die CT oder die MR Untersuchung zielführend. Pseudozysten können im Pankreaskopfbereich im Zusammenhang mit der Größenzunahme des Organs zu Passagestörungen im Zwölffingerdarm (oberster Anteil des Dünndarmes) führen. Dann kommt es zum Erbrechen nach Nahrungsaufnahme. Pseudozysten bilden sich in der Regel zurück und benötigen nur selten eine invasive Vorgangsweise in Form einer Katheterdrainage oder einer so genannten „inneren Drainage-Operation“. Bei letzterer wird ein Jejunumdarmschenkel (Y-Roux) an die Zystenwand anastomosiert (in die Zystenwand eingeleitet) und so die Pankreasenzyme (Bauchspeicheldrüsensekrete zur Verdauung) in den Darmtrakt dauerhaft abgeleitet. Komplizierter in der operativen Korrektur gestaltet sich die komplette Pankreasruptur, die in der Regel den mittleren Pankreasabschnitt betrifft. Als kurative Maßnahme kann hier beispielsweise der Pankreaskopf nach Anfrischung der Verletzungszone abgesetzt - übernäht und der abgetrennte Pankreasschwanz eigenständig in eine ausgeschaltete Y–Roux Dünndarmschlinge abgeleitet werden.

Das stumpfe Bauchtrauma - 03

Weiterführende Informationen/Studien:

Bauchschmerzen im Kindesalter:

Einleitung

Spezielle kinder- und jugendchirurgische Erkrankungen

Diagnostik

Auswahl einzelner Erkrankungen:

Die Appendicitis

Meckel´sches Divertikel

Die Invagination

Ovarpathologie

Das stumpfe Bauchtrauma

Volvulus

Choledochuszyste

Chronisch entzündliche Darmerkrankungen

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